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Beginnt mit "D"

Diese Zustände

 

Wir müssen das ändern. So geht es nicht weiter.

Ja, aber, was müssen wir ändern?

Die Zustände. Das kann doch so nicht weitergehen.

Ja und Nein. Es ist ja nicht alles schlecht. Was kann so nicht weiter gehen?

Die Leute verstehen die Welt nicht mehr

Wie ist das gemeint?

Nehmen wir zum Beispiel die Politik. Die wollen immer alles besser machen, mehr Gerechtigkeit zum Beispiel.

Und machen sie das?

Theoretisch vor der Wahl ja.

Und danach?

Ist alles anders.

Warum?

Wegen der Zustände.

Welche Zustände?

Nehmen wir die Energieversorgung.

Ja was ist damit?

Alle wollten kostengünstige Energieversorgung mit Strom, Gas und Wasser. Das wird versprochen.

Ist ja eigentlich ein Grundrecht. Und was passiert nach der Wahl?

Man muss erst etwas klarstellen. Zum Beispiel, dass die Steuereinnahmen sinken können, wenn man etwa die Steuern auf die Benzinpreise senken würde.

Das ist doch eine gute Idee, oder nicht?

Ja, aber es geht nicht.

Und warum?

Wegen der Zustände.

Welche Zustände?

Diese Steuereinnahmen sind fest einkalkuliert.

Vielleicht war das ein schlechtes Beispiel. Es gibt doch bestimmt andere Zustände.

Zum Beispiel?

Die Wirtschaft.

Gut, nehmen wir den Staubsauger.

Den Staubsauger?. Warum?

Es ist ein Beispiel.

Gut. Was also ist damit?

Der Staubsauger wird entworfen, gezeichnet, konstruiert, als Modell gebaut, getestet und dann in einer Fabrik gebaut.

Das ist doch in Ordnung.

Ohne Zweifel. Aber das ist ja noch nicht alles. Sie kommt auf den Markt und wird gekauft, steht dann in den Haushalten und die Leute reinigen mit den Staubsaugern ihre Wohnungen.

Das ist doch in Ordnung.

Soweit, so gut. Aber es geht ja weiter. Nach einiger Zeit tritt Sättigung ein. Jeder Haushalt hat einen Staubsauger.

Was ist daran falsch?

Nichts. Aber nach ein paar Jahren gehen die Maschinen kaputt.

Warum? Das glaube ich nicht.

Doch, sie sind so konstruiert. Das nennt man Reengineering.

Was bedeutet das?

Die Staubsauger, auch andere, müssen kaputt gehen, damit neue gekauft werden.

Und warum?

Damit die Fabriken weiter zu tun haben.

Warum?

Wegen der Zustände.

Welche Zustände?

Die Politik muss für Arbeitsplätze sorgen.

Mit Staubsaugern, die kaputt gehen?

Auch.

Und warum?

Wegen der Zustände.

Egal, sie haben aber doch Energieseinsparung versprochen.

Das tun sie doch.

Wie, beim Benzin?

Nein, bei dem Beispiel!

Dem Staubsauger?

Ja, genau da.

Und wie das?

Sie können doch lesen. Die EU hat beschlossen, dass die Leistung der Staubsauger in Watt begrenzt werden soll.

Ja, und was sagt mir das?

Das spart Energie.

Gut, aber dann müssen die Leute ja neue Staubsauger kaufen, weil die jetzigen zu viel Energie verbrauchen.

Das stimmt. Die Leute müssen neue Geräte kaufen.

Und warum?

Wegen der Zustände.

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Der Schrei

 

 

 

Der Schrei

 

 

Kurzgeschichte

 


Ein schriller, schneidender, fast schmerzender Schrei schreckt Georg aus dem morgendlichen Restschlaf und zwingt ihn aus dem Bett, presst sein Gesicht an die nachtfeuchte Scheibe des Schlafzimmerfensters. Es ist nichts zu sehen. Nichts Besonders auf der Straße. Grau glänzen die Pflastersteine und spiegeln das blasse Licht der Leuchtwerbung des benachbarten Kolonialwarengeschäftes wider. Hin und wieder rollen die Reifen vorbeifahrender Autos über dieses Pflaster und hinterlassen für wenige Momente Profilspuren wie einen Hinweis, dass es weiter geht. Sie hinterlassen noch andere Spuren, die des verbrannten Treibstoffes.

Georg hat eine gute Nase. Er riecht seine Wohnung, seine Möbel, die verschiedenen Düfte der Speisen, die er sich gelegentlich selbst zubereitet. Er findet sich in seiner Wohnung nach den Geruchsspuren zurecht. Er riecht seine Wege. Er kann sie, von seiner Nase geführt, sogar zurückverfolgen. Und er riecht seine Katze Peterle und weiß, ohne zu schauen, wo sie sich in seiner Wohnung befindet.

Der schrille Schrei ist schon lange gestorben. Schreie kann man nicht riechen. Georg riecht sein Bett und überlegt, ob er dessen Anziehungskraft nachgibt oder den Tag wegen des Schreis früher beginnt als sonst.

Sein Entschluss quält ihn, sobald er ihn gefasst hat. Sein Körper wird dank des Entschlusses, nun doch nicht mehr ins Bett zurück zu gehen, in die Küche geschoben. Die Kaffeemaschine verlangt bedienende Hände und zerblubbert ein paar Minuten der Küchenzeit.

Immer, wenn Georg seinen Morgenkaffee zubereitet, riecht er die zunehmende Nähe von Peterle, der mit Georg zusammen seine Morgenmilch schlabbert. Peterle ist eigensinnig wie alle Kater, aber er hat eine Eigenheit, auf die Georg sich verlassen kann. Er ist pünktlich von seinen nächtlichen Ausflügen zurück zur Morgenmilch.

Heute riecht Georg Peterle nicht. Die Milch aus dem auf dem Küchenboden stehenden Napf lässt ihren Geruch ohne die fellige Begleitung aufsteigen und beunruhigt Georg. Heute ist der Tagesbeginn anders als an allen vorangegangenen Tagen. Ein schriller Schrei, ein schmerzlicher, da draußen.

Und Peterle ist nicht zur Morgenmilch gekommen.

Die Spur von Peterle führt zu dem kleinen Badezimmerfenster, welches Georg immer für ihn geöffnet hält, wenn er zu seinen nächtlichen Streifzügen entschwindet und später wieder in die Wohnungzurück will.

Georg schnuppert die alten Geruchsspuren von Peterle auf und weiß, dass er nicht durch das kleine Badezimmerfenster zurückgekommen ist. Er muss seinen Kater suchen.

Das Aroma des Bodenpflegemittels im Treppenhaus prallt an Georgs Wohnungstür ab und sinkt über die Treppenstufen bis zur Haustür, durch welche es beim gelegentlichen Öffnen auf die quadratischen Platten des Bürgersteiges schubweise entweicht. Georg schätzt dieses Aroma nicht sehr, aber es berichtet ihm, dass er in seinem Haus ist und er lässt sich davon umarmen, als er, ohne den Morgenkaffee zu Ende genossen zu haben, seine Wohnungstür von außen verschließt, um die Spur von Peterle aufzunehmen.

Als er sich auf dem Treppenabsatz vor seiner Wohnungstür umdreht, schlägt ihn schwarzer Geruch. Ein praller übertünchender Schlag aus einer unbekannten Ferne packt seine Sinne und lässt ihn auf der Stelle erstarren.

Er riecht den Tod.

Auf dem Treppenabsatz steht ein alter Schuhkarton. Jetzt riecht Georg den schrillen schmerzenden Schrei. Peterle hat seinen felligen Schnurrgeruch unten gelassen, unten auf dem nachtfeuchten Pflaster. Hinter einem kurzfristige Spuren hinterlassenden Gefährt.

Georg schaut nicht in den Karton. Das Treppenhausaroma trägt ihn auf die Straße. Nicht weit von der Haustüre entfernt wittert er den felligen Geruch von Peterle, angereichert und gepaart mit einer Dieselabgasfahne.

Georg kennt die unterschiedlichen Visitenkarten der mobilen technischen Errungenschaften, den knattrigen Ablass der alten Zweitakter hat er schon in seiner Jugend aufgenommen. Die Treibstoffgase der benzinverzehrenden Mobile kann er gut von dem weichen Duftkot der Dieselfahrzeuge unterscheiden.

Er folgt der Felldieselspur, wobei der Anteil des Fellgeruches rasch entschwindet. Aber Georg bleibt an der Duftspur. Er kann keine Rücksicht auf die vorbei fahrenden Mobile nehmen. Er will den Täter finden. Sein Körper neigt sich zu dieser Aufgabe tief herunter, krümmt sich sichelartig, schneidet die Duftscheiben der Straßen durch und ist unempfindlich gegen jeden um ihn aufsteigenden oder fallenden Ton. Einer dieser letzten Töne kommt von der standardisierten Sirene eines Krankenwagens.

Georg kann keine Zeit riechen. Aber neue Räume. Es riecht hell, weiß. Weiß riecht auch die Schwester, die in den Raum tritt.

Sie schaut wie eine Katze.

 

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